Lieber Herr Kiehl, zwei interessante Geschichten aus Ihrer Kindheit in Weißensee vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg kennen wir ja schon.

Wie verliefen in Ihrem weiteren Leben Ihre Wege, in denen, so glaube ich, auch interessante Ereignisse vorgekommen sind?

Natürlich gab es Ereignisse in meinem weiteren Leben, aber ich möchte diese Wege nur ganz kurz erwähnen. Man könnte sagen, es ist ein Prolog.

Die 6. Volksschule in Berlin, Weißensee im Juli 1949 absolviert und im Herbst des gleichen Jahres mit einer Lehre als Maschinenschlosser im damaligen VEB Deutsche NILES Werke Berlin begonnen. Diese Lehre lief für mich schwer an, denn ich hatte von diesem Beruf null Ahnung. Auch die handwerklich zu erlernenden Tätigkeiten mit denen dazu gehörigen Werkzeugen und Materialien waren für mich ein Buch mit 7 Siegeln. Die Lehrausbilder waren zwar gute Facharbeiter, aber schlechte Pädagogen (Pardon). Nach abgeschlossener Lehrausbildung wurde ich in die Produktion des gleichen Betriebes delegiert – Abteilung Karusselldrehmaschinenbau. Nun hieß es wieder einmal von vorne anfangen und lernen, denn die Grundausbildung reichte für die dort auszuführenden Arbeiten nicht aus. Trotzdem und mit der Zeit, bereiteten mir diese Arbeiten, die sehr präzise ausgeführt werden mussten, ein Maß an Freude, obwohl wir sehr schmutzig waren. Nicht nur meine Abteilung, in der ich arbeitete, interessierte mich, sondern versuchte ich alle Abteilungen des Werkes näher kennenzulernen. Dabei erfuhr ich, dass im Werk ein Kulturensemble im Aufbau war.

Geschichten - Weißensee - Niles Werke - Arno Kiehl - © Arno Kiehl

Ein Kulturensemble in einem Maschinenbaubetrieb?

Jeder Großbetrieb in der DDR gab etwas auf Kultur, um den Werktätigen Kultur unterschiedlichster Art nahezubringen und sie auch zur kulturellen Selbstbetätigung anzuhalten. Und im Laufe der Zeit wuchs so ein Ensemble heran, in dem sich viele unerkannte Talente entwickelten. Das machte mich neugierig und eines Tages kam mir der Gedanke, dass wir hier auch noch ein Kabarett gebrauchen könnten.

Wie soll ich das verstehen? Sie kamen auf den Gedanken? Woher denn?

Das muss ich erklären. In den fünfziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts, hörten unsere jungen Menschen den Sender RIAS Berlin.

RIAS Berlin, was ist das?

Die Abkürzung bedeutet „Rundfunk im Amerikanischen Sektor“. Gerne wurde die Sendung „Schlager der Woche“ gehört, in der US-amerikanische und deutsche Schlagermusik dargeboten wurde. Auch ich habe den Sender mit den Schlagermelodien gerne gehört, und eines Tages vergaß ich nach der Schlagersendung diesen Sender auszuschalten, und der Ansager offerierte Günter Neumann und seine Insulaner. Das machte mich neugierig, und ich erlebte eine Sendung voller Witz und Humor, sowie Satire von guten Schauspielern für den Hörfunk bearbeitet in sehr guter Qualität. Mir gefielen die unterschiedlichen Typen dieses Kabaretts mit ihren besonderen Stimmen und musikalischen Kostbarkeiten. Eins hatte mir nicht gefallen bei ihnen: sie schossen auch mit spitzen Zungen natürlich gegen den Osten, wobei sie nur teilweise Recht hatten.

Und was nun, wenn sie das gehört hatten? Was folgte daraus?

Ich dachte so bei mir, wir könnten in unserem Betrieb auch ein Kabarett gebrauchen, dass sich mit den Missständen im Betrieb befassen sollte.

Politische Satire in einem Volkseigenen Betrieb des Maschinenbaus? Das erscheint mir ziemlich mutig.

Mutig war ich schon – und auch etwas naiv. Ich holte mir die Genehmigung so ein Kabarett zu gründen von unserem damaligen Werkleiter, der zu mir sagte: „Mach das. Kritik ist gut, wenn sie hilft Missstände und Unzulänglichkeiten aufzuzeigen.“ Nun hieß es, Interessenten für dieses Kabarett zu finden. Im Betrieb hatten wir eine Betriebszeitung namens „Das Karussell“. Darin veröffentlichten wir einen Aufruf mit dem Inhalt eine Kabarettgruppe des Werkes zu gründen. Auch unser Betriebsfunk schaltete sich mit ein. Es meldeten sich doch eine große Anzahl Interessenten und wir mussten eine Auswahl treffen, sodass wir dann eine Gruppe von sechs Personen, Frauen und Männer, und einen Pianisten hatten. Diese sechs hatten auch schon alle etwas von Günter Neumann und seinen Insulanern gehört.

Haben Sie denn mit diesen Leuten während der Arbeitszeit Texte entworfen und Proben abgehalten? Das wäre doch höchstwahrscheinlich nicht möglich gewesen.

Nein, das war Freizeit Arbeit. Wir sammelten Probleme des Werkes, schmiedeten darauf Texte, benutzten Schlager unterschiedlichster Art, um auch Songs, bzw. Couplets darzubieten, die wir mit neuen Texten versahen. So reiften wir heran als ein gutes Betriebskabarett mit dem Namen, „Die Polypen“, das nicht nur im Werk, sondern auch in Weißensee und über die Grenzen von Weißensee hinaus bekannt wurde. Wie ich auch dann nach einiger Zeit erfuhr, hatten wir in unserem Betrieb eine Gruppe der DSF.

Weißensee - Geschichten-Arno Kiehl - © Arno Kiehl

DSF? Erläutern Sie bitte mal.

Deutsch-Sowjetische Freundschaft, mehr auf dem Papier als in der Praxis. Aber als ich eines Tages an der Bushaltestelle des A45 stand und in Richtung Liebermannstraße schaute, fiel mir ein, dass in diesem großen Askanier Gebäude eine sowjetische Einheit stationiert war. Ich überlegte, ob man da nicht einfach mal hingehen könnte und einem hohen Offizier meine Idee von einem Auftritt unseres Kabaretts mit drei Sketchen zu gegebenem Anlass darzubieten, natürlich in russischer Sprache.

Sagen Sie mal, haben Sie sich da nicht ein bisschen übernommen? Klingt alles etwas utopisch.

Mag sein, aber in meiner Naivität, dass man Freundschaft nur praktisch durchführen kann, setzte ich meine Gedanken zwei Tage später in die Praxis um. Ich ging schnurstracks in das Gebäude.

Hier beginnt der eigentliche Teil meiner Kiezgeschichte. Der wachhabende Soldat war sehr erstaunt, dass ein deutscher Bürger schnurstracks in das Gebäude kam, kam auf mich zu, und fragte, was ich wünsche. Ich erklärte ihm mein Begehren, und er sagte, „Moment,“ telefonierte. Nach zehn Minuten kam ein junger Unterleutnant und sprach mich in relativ gutem Deutsch an. Ich erklärte auch ihm, was wir beabsichtigten im Rahmen der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft. Er fand den Vorschlag sehr originell und freute sich, dass wir drei Sketche in russischer Sprache darbieten wollten, wenn ein bestimmter Feiertag für die sowjetische Einheit anliege. Ich war sehr erstaunt, wie schnell es ging, und dass er einverstanden war, nur mit dem Hinweis von ihm, dass er die Texte nochmal sehen wollte, wie sie in Russisch verfasst sind.

Nun hieß es für mich drei Sketche von maximal einer Minute auszuwählen, sie ins Russische zu übersetzten, was mir recht gut gelang, und mit meinen Kabarettkollegen einzuüben.

Und Ihre Kollegen und Kolleginnen waren Feuer und Flamme oder wie benahmen sie sich?

Natürlich hatten sie ein paar Vorbehalte, ob sie das mit der russischen Sprache packen würden. Bei den Jüngeren gab es keine Probleme. Nur ein älterer Kollege, der nie einen kyrillischen Buchstaben gesehen hatte, dem schrieb ich die Texte mit lateinischen Buchstaben in Lautsprache auf und, man höre und staune, das machte ihm großen Spaß. Nach einiger Zeit ging ich wieder zu der sowjetischen Einheit, zeigte dem Politnik die Texte. Er verbesserte nur wenig.

Ja, nun wird es spannend. Und wie geht es weiter?

Der Auftrittstermin war am 9. Mai 1952 zum „Tag des Sieges“, ein Fest der Sowjetarmee bei der SMAD. An dem Tag zogen wir unsere besten Sachen an, und erschienen pünktlich zur festgelegten Zeit im Gebäude der sowjetischen Einheit. Der Politnik empfing uns recht freundlich, zeigte uns den mit vielen Spruchbändern geschmückten Saal, die Bühne mit einem Tisch und zwei Stühlen und den anschließenden Raum zum Umziehen, bzw. zur Absetzung der Kleinrequisiten. Es war alles perfekt. Zur Eröffnung der Veranstaltung hielt der Politnik eine kurze Rede, stellte uns vor, und weshalb wir gekommen waren. Ich ließ es mir nicht nehmen die sowjetischen Soldaten in ihrer Muttersprache zu begrüßen, was mit Beifall aufgenommen wurde.

Na da waren Sie höchstwahrscheinlich sehr froh, dass das alles so glatt über Ihre Lippen gegangen war.

Nun ja, gelernt ist gelernt.

Unsere drei Sketche kamen über die Erwartungen hinaus gut an. Es wurde sogar gelacht. Mit dem kritischen Inhalt dieser Texte hatte man auch in der Sowjetunion zu tun. Nach der Veranstaltung wurden wir in einem Nachbarraum zu einem „Prasdnik“, zu einem Fest, eingeladen.

Sie waren bestimmt voller Erwartung, was Sie nun erwartete?

Als wir den Raum betraten, erblickten wir einen großen Tisch, der mit einem großen weißen Tuch bedeckt war, setzten uns brav in eine Ecke, und harrten der Dinge, die da kommen würden. Das große Tischtuch wurde entfernt, und wir erblickten einen Tisch voller Speisen, die wir nicht kannten, z. B. Kaviar, Krimsekt, Brot, Butter, Käse, Wurst, Konserven mit Fischen in Sonnenblumenöl und Wodka. Wir wurden höflich aufgefordert, am Tisch Platz zu nehmen.

Sie wollten nicht wie die hungrigen Wölfe erscheinen und unbedingt die Köstlichkeiten in die Münder schaufeln, oder…

Natürlich nicht. Dann füllte sich langsam der Raum mit den Offizieren und ihren Gattinnen. Es wurde Wodka eingeschenkt. Wir hoben die Gläser und prosteten ebenfalls dem „Tag des Sieges“ zu. In einer anderen Ecke des Raumes stand ein kleines Podium, worauf ein Musiktrio Platz genommen hatte (Akkordeon, Gitarre und Schlagzeug). Jetzt begann der lustige Teil der Veranstaltung. Die Musik spielte auf. Wir guckten anfangs nur zu, und ich wurde vom Politnik darauf hingewiesen, dass es sich schickte, doch als Leiter der Gruppe, zum Tanz eine russische Frau aufzufordern. Gehorsam wie ich war, tat ich es. Das Trio spielte natürlich einen Walzer und so schwebte ich mit der Dame übers Parkett.

Und Sie konnten wirklich Walzer tanzen?

Walzer tanzen konnte ich noch. Dank meiner Mutter. Unsere beiden jungen Frauen vom Kabarett wurden von russischen Offizieren zum Tanze gebeten. Die Männer fassten Mut, und forderten die russischen Frauen auf. Im Gesicht des Politniks konnte ich sehen, dass ihm das sehr gefiel. Es wurde ein feucht fröhlicher Spätnachmittag mit Musik und Gesang, wobei wir krampfhaft nach Texten suchten. Zu vorgerückter Stunde ging die Tür auf und es erschien ein hoher sowjetischer Offizier von großer Gestalt. Alle Gäste erhoben sich. Nur der Offizier breitete seine Arme aus, bewegte sie wie die Schwingen eines Adlers. Das bedeutete, dass man sich wieder hinsetzen konnte.

Und Sie hatten höchstwahrscheinlich einen höllischen Respekt?

Ein bisschen schon. Dann schritt er auf das kleine Musikaltrio zu, unterhielt sich ganz kurz mit ihm. Plötzlich sah ich statt des Offiziers, ein wunderhübsches Mädchen stehen, von dem ich meine Augen nicht ablassen wollte, von grazilem Wuchs, schwarzen Haaren mit langen dicken Zöpfen und mit einer Folklore-ähnlichen Bekleidung. Meine Kabarett Kollegen stießen mich an und gaben mir den Rat nicht immer fort dort hin zu „glotzen“, das gehöre sich nicht.

Ja, lieber Herr Kiehl, das geziemt sich auch nicht.

Der sowjetische Politnik kam zu mir, und erzählte mir, dass Tanja die Tochter des Offiziers wäre und dass es sich gehöre mit der Tochter des Offiziers einen Tanz zu wagen. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und forderte sie zum Tanz auf. In meinem Armen hatte ich nicht Tanja, sondern einen ziemlich warmen „Backofen“ und wir drehten etliche Runden. Ein Tanz ist mir besonders noch in Erinnerung, den sich das Musikaltrio ausgeheckt hatte, nämlich einen damals populären russischen Tango mit dem Titel „Serse“, Herz. Das war so eine richtige Schmuse-Melodie und die Blicke richteten sich von einigen zu Tanja und mir, wie wir diesen Tango bewältigten. Es war 23.0 Uhr und es war Feierabend. Alle verabschiedeten sich und ich sagte zu Tanja „Doswidania“, auf Wiedersehen, und sie sagte das gleiche, nur ich fügte hinzu, „Kogda??“, Wann. Sie zog nur die Schultern hoch und guckte mich vielsagend an.

Auf dem Nachhauseweg ging mir dieses Mädel nicht aus dem Kopf und das dauerte noch ziemlich lange.

War Ihnen nicht bekannt, dass enge private Beziehungen zwischen deutschen und sowjetischen Armee Angehörigen nicht gewünscht, beziehungsweise untersagt waren?

Ich muss gestehen, komplett nicht, denn für mich war DSF, Deutsch-Sowjetische Freundschaft, etwas Natürliches und ich habe mir darum keine Sorgen gemacht. Ich gestehe, aus heutiger Sicht war es sehr naiv.

Als ich wieder einmal an der Bushaltestelle des A45 stand, um nachhause zu fahren, schaute ich in Richtung Askanierwerk und dachte in dem Augenblick, jetzt müsste die Tür aufgehen und Tanja würde auf mich zu eilen. Stattdessen öffnete sich plötzlich eine Tür neben dem Gebäude und ein sowjetischer Soldat kam auf mich zu und überreichte mir einen Brief mit dem Worte „Tanja“. Er verschwand wie ein geölter Blitz wieder in seiner Unterkunft. Gleich wollte ich den Brief lesen, doch ich hielt mich zurück und las ihn erst zuhause. Dort öffnete ich den Brief und sah nach langer Zeit wieder mal kyrillische Buchstaben. Zu lesen war „Jeden zweiten Mittwoch im Monat treffen, wo damals Gastronom war. Zeit: 15.0 Uhr“. Ich war begeistert, dass es zu einem Treffen kommen würde, doch machte ich mir schon Gedanken, wie sie das arrangieren wollte. Mutter blickte mir über die Schulter und meinte nur, „Kann ich nicht lesen“. Alles weitere erklärte ich meiner Mutter. Im Betrieb musste ich versuchen die Schicht so hinzulegen, wie die Treffen vereinbart waren, was gar nicht so einfach war.

Es war das erste Treffen im Mai 1952 und es sollte nicht das letzte sein. Tanja erschien immer in einem Jeep mit einem Kraftfahrer, und dieser wartete in der Bizetstraße. Es ging so einige Monate. Wir spazierten dann Hand in Hand um den Solonplatz, Bizetstraße, Gounodstraße, und in der etwas weiteren Umgebung, nur nicht in der Berliner Allee oder eventuell am Weißen See. Bei diesen Spaziergängen erfuhr ich viel über Tanjas Familie und wo sie geboren wurde. Ich erzählte ihr von meiner Familie und so hatten wir beim ersten Treffen eine Menge Gesprächsstoff. Natürlich blieb es nicht nur bei diesen Familienangelegenheiten und Tanja fragte mich, ob ich sie wirklich liebte. Ich fragte sie, „Und du?“ Sie sagte ganz klar und deutlich, „Ja“ und ein „Ja“ wiederholte ich auch.

Sagen Sie mal, wie alt waren Sie denn zu diesem Zeitpunkt?

Knappe 18 Jahre, und es war meine erste große Liebe. Nun aber, zurück zum ersten Treffen mit Tanja. Es kam eine ganz spezielle Frage, ob ich nicht hier in Berlin ein deutsches Mädel hätte. Zu dieser Zeit hatte ich wirklich keine Beziehung und so erzählten wir mit utopischen Vorstellungen von unserer weiteren Zukunft, dass wir doch zusammenbleiben würden, für immer und ewig. Mit anderen Worten: Wir waren verliebt bis über beide Ohren. Weiterer Gesprächsstoff war der Krieg und dass so etwas wie Krieg nie wieder passieren sollte.

Jedes folgende Treffen hatte immer einen speziellen Gesprächsstoff und wir sprachen nicht nur, sondern wir küssten uns auch. Beim letzten Treffen -ich wusste noch nicht, dass es das letzte war-, hielt sie mich ganz, ganz fest in ihren Armen, was für mich wieder eine neue Erfahrung war. Als wir uns verabschiedeten, winkte sie und verschwand in der Bizetstraße, durch ein Portal, und ich wunderte mich, weshalb sie in dieses Haus ging. Später habe ich erfahren, dass hochgestellte sowjetische Offiziere privat mit deutschen Bürgern Geschäfte tätigten, und Tanja besorgte das. Wie schon erwähnt, es war das letzte Treffen, denn zum folgenden Termin erschien sie nicht. Daher machte ich mir große Sorgen. Natürlich hatte ich Angst um sie, dass ihr etwas Unangenehmes passieren könnte, denn ich wusste so ungefähr was erlaubt und was verboten war. Meiner Mutter blieb mein Kümmernis nicht verborgen, und sie meinte, Tanja hätte wohl nachhause müssen.

Heute sind Sie sich bestimmt im Klaren, dass Sie sich beide in eine gefährliche Situation begaben?

Aus damaliger Sicht war es so, dass ich meinte, Unerlaubtes kann so romantisch sein. Heute weiß man natürlich viel, viel mehr. Man hätte uns beide vielleicht, oder besser gesagt mich, für einen westlichen Agenten halten können, denn zu der Zeit war Berlin ein Tummelplatz der Geheimdienste aus aller Welt und meine andere Heimat wäre vielleicht Sibirien oder Kasachstan gewesen.

Einige Monate später bekam ich ein Brief von Tanja in dem nur ein paar Sätze standen: „Mein Liebling, ich musste zurück in die UdSSR. Vater war böse, aber ich liebe dich, Tanja.“ Es war auf dem Brief kein Absender, sondern nur eine Stadt angegeben. Es war die Stadt Twer. Das kam mir etwas mysteriös vor.

Und wie ging es weiter?

Diesen Brief hatte ich in meiner Korrespondenzmappe abgelegt, aber meine damalige Ehefrau hatte meine Korrespondenz inspiziert, als ich mit dem Kabarett auf Tournee war, und vernichtete diesen. Eine schöne Geschichte fand ein betrübliches Ende.